Wer zwischen 1965 und 1972 ein Fahrzeug der Oberklasse sein eigen nennen wollte, hatte zwischen zwei deutschen Fabrikaten die Wahl: Entweder ein amerikanisch angehauchter Opel der K-A-D-Serie oder die S-Klasse W 108 von Mercedes-Benz.
Der Nachfolger der S-Klasse W 111, auch als „große Heckflosse“ bekannt, wurde 1965 präsentiert. Die viertürige Limousine mit der klar gezeichneten Linienführung konnte sich mit ihrer innovativen Technik sofort auf nationalen wie internationalen Märkten behaupten. So gab es teilweise Einspritzmotoren und Luftfederung im Heck. Als Kurzversion maß der W 110 in den Modellen S und SE 4,90 Meter in der Außenlänge, mit dem längeren Radstand von 2865 mm genau fünf Meter. In den langen Ausführungen gab es sowohl Stahlwendelfedern als auch die komfortable Luftfederung; diese kennzeichnet als W 109 die Modelle 300 SEL, 300 SEL 3.5, 300 SEL 4.5 (US-Version) und 300 SEL 6.3.
Seinen technologischen Führungsanspruch untermauerte Mercedes weiter mit Scheibenbremsen an allen vier einzeln aufgehängten Rädern; beides war zur damaligen Zeit durchaus nicht selbstverständlich. Hinter den mitunter recht durstigem Motoren arbeitete ein weiteres Technikhighlight: Wer manuelle Getriebe für einen Makel der Arbeiterschicht hielt, war mit der Vierstufenautomatik perfekt ausgestattet. Die Konkurrenz musste mit lediglich drei Fahrstufen hinterherbrummen. Auch gab es für die Sechszylindermodelle ab 1969 eine Handschaltung mit fünf Gängen. Das war ebenfalls beileibe nicht alltäglich bei Mercedes Gebrauchtwagen; in den USA gehörte etwa eine manuelle Dreigangschaltung zum Standard.
Der Innenraum entspricht immer noch den Anforderungen an ein Oberklassefahrzeug: Gediegen Verarbeitung und edle Materialien sollen es bitteschön sein. Hier setzte Mercedes eine Benchmark, die heute noch gilt: echtes Holz, attraktive Stoffe und feinstes Leder, lecker abgeschmeckt mit etwas Chrom. Heute glänzen Metalle eher matt, und Holz entpuppt sich oft als Plastik. Das Zweispeichenlenkrad mit ovalem Hupenring verströmt antiken Charm, den filigranen Wählhebel der Kraftübertragung krönt eine schüchterne Kugel. Das Interieur konnte mit „Hasenohr“-Kopfstützen, einem Schiebedach oder einer Klimaanlage nach Wunsch aufgewertet werden.
Unter der Haube musste Mercedes abermals die Mitbewerber düpieren und bot daher Einspritzmotoren an. Mit der mechanischen Einspritzung waren sie eher durstig, mit der ablösenden elektronischen Bosch-D-Jetronic spritzig. Letztere läutete wie auch die kleinen Achtzylinder 3.5 und 4.5 das ende der Modellreihe W 108 ein, die von der ersten als solche vermarkteten S-Klasse W 116 beerbt wurde. Dann gab es noch den 300 SEL 6.3, eine sehr frühe Interpretation der Sportlimousine. Der 6,3-Liter-V8 aus dem 600er mit 250 PS und erhabenen 510 Nm Drehmoment drückte den gutsituierten Käufer in 6,5 Sekunden auf 100 und hörte erst bei Tacho 220 auf, Vortrieb zu produzieren. Dieser Wagen darf sich rühmen, im Sportanzug bei Tourenwagen-Rennen und im Rallye-Sport Geschichte gemacht zu haben. Abgesehen von einigen Erfolgen stellte der das esrte Fahrzeug des heute renommierten Tuners AMG dar.
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