Dass der Adler Standard 6 den heimischen Horst erreicht, ist nicht ganz utopisch. Zwar handelt es sich bei dem Mittelklasse-Fahrzeug um ein Vorkriegsauto, doch wurde der Standard 6 in recht ordentlichen Stückzahlen gebaut.
Spektakulärstes Merkmal des Adler Standard 6 war seine Ganzstahlkarosserie des Karossiers Ambi-Budd. Das mag uns heute seltsam erscheinen, löst selbst eine Carbonaußenhaut bestenfalls ein müdes Zucken aus. Doch 1927 kollidierten die Autos noch anders: Hersteller wie Tornax und viele andere bauten ein Gerüst aus Holz und verkleideten es mit Blech oder Kunstleder. Diese aus Amerika übernommene Bauweise hat zweierlei Vorteile, zunächst einmal geht die Karosseriefertigung aus gepressten und gestanzten Blechen erheblich schneller von
statten, zweitens ermöglicht sie – eine genügende Stückzahl vorausgesetzt – ein beliebiges Teil vom Schrott zu nehmen und damit identisches am eigenen Auto zu auszutauschen. Je mehr Handarbeit in den Aufbauten steckte, desto unregelmäßiger und unpräziser wurden und sind sie immer noch. Wer mit dem Ambi-Budd Adler Standard Adler 6 nichts anfangen konnte, bestellte sich einfach ein fahrtüchtiges Chassis und ließ ein außenstehendes Karosseriewerk nach Wunsch die Blechhülle maßschneidern. Der inzwischen so gut wie ausgestorbene Leiterrahmen ermöglichte dies.
Insgesamt gab es vier Ausführungen des Adler 6 Standard, so zunächst von 1927 bis 1930 den Standard 6 (10N). Diesen gab es als 4-türige Tourenwagen und Limousinen sowie als 2-türiges Cabriolet. Der 2,5-Liter-Sechszylinder mit 45 PS brachte den Oldtimer auf knapp 90 km/h und konsumierte dabei zwischen 15 und 16 Litern. Von ihm wurden 13.959 Exemplare verkauft; parallel bot Adler den Standard 6A von 1928 bis 1933 an, er zeichnet sich vor allem durch den auf 2,9 Liter vergrößerten Motor mit 50 PS aus. Die Fahrleistungen beider rund 183 cm hohen und 1,65 m breiten Klassiker sind recht identisch, der 6A war jedoch nur als 427 cm lange Limousine erhältlich, die in 10.681 Exemplaren gebaut wurde.
Den Adler Standard 6S (12NS), der von 1928 bis 1933 4.135 Mal vom Band lief, kennzeichnet vor allem die auf 457 cm gestiegene Außenlänge; zudem gab es neben der Limousine wieder ein Sportkabriolett. Höhe, breite und Motor waren mit dem 6A identisch, auch der Radstand beträgt wie die Außenlänge 30 cm mehr. Dieses war der letzte Adler Standard 6 mit Starrachsen an Front und Heck; das Nachfolgemodell Standard 6 (3U) trägt eine vordere Einzelradaufhängung und den auf 60 PS gesteigerten 2,9 l Reihensechser. Bei gleicher Außenlänge ist der Standard 6 (3U) 9 cm breiter und vor allem 17,5 cm flacher als der 6S; der um sechs Zentimeter gewachsenen Radstand geht auf das Konto der neuen Vorderachse zurück. Von diesem Wagen, der zudem ein viergangterieb aufwies, wurden zwischen 1933 bis 1934 nur 400 Stück gebaut.
Auch der eher als revolutionärer Architekt Martin Gropius soll einen Adler 6 couturiert haben, der 1931 vorgestellte Prototyp wies felgengroße Chromradkappen und einen großen Adler im Kühlergrill auf. Es ist jedoch unklar, ob Gropis diesen wagen tatsächlich selbst gestaltete oder ihm, nur seiner Freundschaft zum Adlerchef Heinrich Kleyer wegen, seinen Namen lieh. Da keiner der Gropius’schen Adler Standard 6 und Standard 8 den Krieg überlebten und kaum noch Zeitzeugen überhalb der Erde weilen dürften, bleibt dieses Rätsel womöglich ungeklärt.
Eine der aufsehenerregendsten Standard 6 Fahrerinnen war ihrerzeit die Industriellentochter Cläreniore Stinnes, die sich zum Beweis ihrer Unabhängigkeit einen brandneuen Adler Standard 6 organisierte und als erster mensch eine Weltumrundung im Auto durchführte. Das war 1927 unfassbar, da sie zudem noch nicht einmal mit ihrem Begleiter Carl-Axel Söderström verheiratet war. Der Film „Fräulein Stinnes fährt um die Welt“ gibt das über zweijährige Abenteuer wieder.
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