München (dpa/tmn) – Sie bauen zuverlässige Kleinwagen, überschwemmen den Markt mit Mittelklasse-Limousinen und sind bei den ersten, die sich auf die SUV-Welle schwingen: An Massenware herrscht bei den japanischen Herstellern zu Beginn der 90er-Jahre kein Mangel.
Nur Lust und Leidenschaft mag den Asiaten damals keiner so recht zutrauen. Sportwagen, so die einhellige Meinung, haben aus Europa und dort am besten aus Italien zu kommen oder vielleicht noch aus Amerika.
Dass ein Land, in dem man höchstens 120 km/h fahren darf und ohnehin meiste Zeit im Stau steht, tatsächlich schnelle Autos bauen kann, das will die PS-Basis kaum glauben. Zumindest nicht, bis sich der Ferne Osten plötzlich aufmacht, es Ferrari & Co zu zeigen und die Überholspur zu erobern. Neben dem Toyota Supra, dem Honda NSX oder dem Mitsubishi 3000 GT ist es vor allem der Nissan 300 ZX Twin-Turbo, der die Schnellfahrer bei seinem Deutschland-Debüt vor 25 Jahren aufhorchen lässt.
Das Aufhorchen kann man durchaus wörtlich nehmen. Denn wenn man den 300 ZX anlässt, bricht ein Getöse los, wie man es den sonst so zurückhaltenden Japanern gar nicht zugetraut hätte. Mal laut brüllend, mal gierig kreischend, dreht der nagelneue V6-Motor auf und presst mit Hilfe der beiden Turbos 208 kW/283 PS und bis zu 375 Nm aus drei Litern Hubraum. Heute schafft das jede bessere Mittelklasse-Limousine. Aber zu Zeiten, in denen ein Porsche 911 auf 184 kW/250 PS kommt und einer Corvette 169 kW/230 PS reichen müssen, ist das eine lautstarke Kampfansage.
Erst recht, wenn der starke Motor mit einem neuartigen Fahrwerk kombiniert wird, bei dem zugunsten der Stabilität die Hinterräder minimal mitlenken. So ist der 1,7 Tonnen leichte Hecktriebler nicht nur auf der Geraden schnell, sprintet in 5,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h und muss bei 250 Sachen elektronisch eingebremst werden. Auch in Kurven lässt er sich von Porsche & Co nicht abhängen.
Damit kann Nissan selbst die notorischen Nörgler aus Deutschland überzeugen und der Fachzeitschrift «Sport-Auto» fast so etwas wie ein Lob abringen: «Der einzige gravierende Fehler des neuen Nissan 300 ZX Twin-Turbo ist seine Geburtsurkunde. Darin steht eben Tokio, Japan, und nicht Zuffenhausen, Deutschland.»
Und es ist nicht allein die aufwendige Technik, mit der Nissan punktet: Zum kräftigen Motor und dem ambitionierten Fahrwerk gibt es ein rassiges Design, das auch noch Platz für praktische Details lässt. Statt wie Porsche & Co ein Coupé und ein Cabrio zu entwickeln, haben die Japaner kurzerhand zwei herausnehmbare Kunststoffplatten ins Dach konstruiert und es mit diesem Targa-Konzept allen Kunden gleichermaßen recht gemacht.
Allerdings war das Auto nicht ganz ohne, mahnt Klaus Amann aus München, der den Z und ZX-Club Deutschland leitet. Zwar hatte der 300 ZX Twin-Turbo faszinierende Fahrleistungen und eine Straßenlage, die jede Landstraße zur Lustmeile machte, erinnert sich Amann und schwärmt bis heute zum Beispiel von der mitlenkenden Hinterachse, die den Wagen in Kurven extrem handlich und bei hohem Tempo ungeheuer spurstabil gemacht hat. «Aber der Motor war extrem empfindlich, und wer ihn nach einer schnellen Fahrt auf der Autobahn zu früh abgestellt hat, der riskierte einen kapitalen Schaden.»
Trotzdem lässt der Club-Chef nichts auf den Wagen kommen: «Wer einmal mit einem 300 ZX unterwegs war, möchte ihn nicht mehr missen.» Die Fans wissen das, aber Nissan hat das offenbar anders gesehen. Denn als die Produktion 1999 nach knapp 100 000 Exemplaren eingestellt wird, machen die Japaner in der Z-Serie einen Schritt zurück und treten erst mit dem 350 Z und später dem 370 Z eine Klasse tiefer an.
Aber dafür halten die Entwickler der Überholspur mit einem anderen Modell die Treue. Denn während die Vollgashistorie bei Toyota, Honda oder Mitsubishi deutliche Lücken aufweist, von einem neuen Supra keine Rede ist, der NS-X partout nicht fertig wird und der 3000 GT schon vor Jahren eingestellt wurde, stürmt Nissan mit dem GT-R unbeirrt weiter voran – und plant für das nächste Jahr endlich den überfälligen Generationswechsel.
Aber auch das kontinuierliche Engagement der Entwickler und ihre permanente Präsenz auf der Nordschleife des Nürburgrings hat den japanischen Sportwagen nicht vor seiner Nischenrolle bewahren können, klagt Amann: «Im Heimatland von Porsche & Co gelten Sportwagen aus Fernost als Exoten – egal, wie gut sie sind.» Obwohl mit einem Grundpreis von 88 000 Mark gemessen an den europäischen Schnellfahrern ein Schnäppchen, werden in Deutschland deshalb von Mai 1990 bis August 1995 nur 1739 Exemplare verkauft, meldet die deutsche Nissan-Zentrale in Brühl.
Auf der einen Seite ärgert das Experten wie Amann. Doch es hat auch seine Vorteile. Denn obwohl der 300 ZX Twin Turbo mit einem Bestand von heute weniger als 500 Exemplaren seltener ist als jede Sonderserie aus Stuttgart, bleibt er halbwegs bezahlbar. Schon für 5000 bis 10 000 Euro sind heute Autos zu bekommen, sagt Amann. Und mit ein bisschen Glück finde man auch eines, das nicht von einem damals jugendlichen Heißsporn, sondern von einem reifen Connaisseur gefahren wurde. Dann gibt es für ihn auch jetzt noch keinen besseren Sportwagen aus Europa. «Denn so viel Spaß für so wenig Geld bietet kein Porsche, kein Jaguar und erst recht kein Ferrari dieser Welt.»
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(dpa)